Vitale Völker durch komplette Brutentnahme

Die Brutentnahme in die Betriebsweise integrieren

In Anbetracht hoher Völkerverluste, erheblichen Futteraufwandes und häufiger Medikamenteneinsätze drängt sich die Frage auf: Wie konnten Bienen überhaupt aus eigener Kraft seit vielen Millionen Jahren überleben? Denn mit Krankheitserregern und extremen Klimasituationen waren die von den Tropen bis nahe an den Polarkreis verbreiteten Bienen schon immer konfrontiert. Futterengpässe haben sie stets begleitet und überhaupt erst ihre extreme Vorratshaltung hervorgebracht. Sind es also der chemische Pflanzenschutz, die grüne Gentechnik, der Elektrosmog und andere Neuerungen, wie einige vermuten, die für unsere moderne Imkerei zum Problem geworden sind? Oder kommen nicht vielmehr andere Faktoren, wie die Haltungsform und Betriebsweise, in Betracht, die negativ auf die Gesundheit und Vitalität der Völker wirken? Natürliche Schutzmechanismen, von der Immunabwehr des einzelnen Individuums, über das vielfältige Abwehr- und Hygieneverhalten des Volkes bis zur konsequenten Auslese auf Populationsebene sowie eine angepasste Dichte und Verteilung der Völker im Raum werden durch heutige Haltungsfaktoren in Frage gestellt. Der ständige Austausch kranker Bienen zwischen den Völkern eines Standes, vielfältige Störungen der natürlichen Brutnestordnung, die Verbreitung unangepasster Herkünfte und die Missachtung wichtiger Vitalitätskriterien bei der Zuchtauslese tun ein weiteres. Der schwerwiegendste Eingriff in die natürlichen Schutzmechanismen ist aber wohl die Unterbindung des Schwärmens.

Vom Schwarm lernen

Bekanntlich lässt ein Schwarm die meisten Krankheitskeime in der Brut, im Futtervorrat und in dem alten Wabenwerk zurück und sorgt so für einen hygienischen Neubeginn. Sowohl im Schwarm als auch im Restvolk wird der Ansteckungskreislauf gestoppt, und die Neuanlage des Brutnestes führt zu einer vollständigen Verjüngung der gealterten Bienenpopulation. Dem unkontrollierten Schwärmen setzt die moderne Imkerei eine planmäßige Jungvolkbildung entgegen – häufig auf der Grundlage von Brutwaben. Damit entfällt die natürliche Brutpause (Schwärmen), und das neu gebildete Volk wird zudem mit allen vorhandenen Krankheitskeimen ausgestattet. Und anders als in der Natur, wo der im Laufe einer Saison gebildete Völkerüberschuss als Grundlage einer konsequenten Ausmerzung aller kranken und schwachen Völker dient, werden leichtfertig schwache oder kranke mit intakten Völkern vereinigt, was der Weiterverbreitung der Krankheiten erneut Tür und Tor öffnet. Wir suchten daher nach einer einfachen Betriebsweise, die die Gesundungsmechanismen des Schwärmens (Trennung von Bienen und Brut, Brutpause, Bau- und Völkererneuerung) beibehält, ohne dass der Imker Schwärmen hinterherlaufen oder Ertragseinbußen in Kauf nehmen muss. Als beste Lösung erwies sich dabei eine einmalige komplette Brutentnahme

Umfangreiche Versuchserprobung

Schon seit einigen Jahren setzten wir am Bieneninstitut Kirchhain diese komplette Brutentnahme zur Sanierung besonders hoch mit Varroa befallener Völker ein. Seit Sommer 2007 wird nun eine wissenschaftliche Untersuchung der Auswirkungen auf Volksentwicklung, Krankheitsbefall und Honigertrag der Völker durchgeführt. Neben zwei Institutsständen mit je 16 Völkern wurden hierzu hessenweit sieben private Partnerbetriebe ausgewählt. Den Versuchsvölkern wurde im Juni/Juli unter Einsatz einer Fangwabe einmalig die gesamte Brut entnommen und keine Sommerbehandlung gegen die Varroose durchgeführt. Den Kontrollvölkern wurde keine Brut entnommen, und sie wurden bald nach der letzten Honigernte mit Ameisensäure oder Thymovar behandelt. Zur Beurteilung der Volksentwicklung wurde wiederholt die Anzahl besetzter Waben ermittelt. Im September wurden Bienenproben von Futterwaben aus der oberen Zarge zur Untersuchung auf Varroa, Nosema und verschiedene Bienenviren entnommen. Sämtlicher im Laufe der Saison 2008 geernteter Honig wurde volksweise gewogen. Erstaunlicherweise führt die komplette Brutentnahme nicht zu einer geringeren Einwinterungsstärke. Durch die kompakte Neuanlage des Brutnestes auf hygienisch einwandfreien Waben können die Völker den Brutverlust im Verlauf von etwa 8 Wochen ausgleichen. Bei einer Brutentnahme bis Mitte Juli gehen die Versuchsvölker daher im Durchschnitt mindestens ebenso stark wie die Kontrollvölker in den Winter (s. Tabelle 1). Auch im Überwinterungsverlauf (Auswinterungsstärke 2008 zu Einwinterungsstärke 2007) sowie bei der Honigernte 2008 zeigen sich keine negativen Effekte. Obgleich "nur" eine Fangwabe eingesetzt wurde und sonst keine Sommerbehandlung erfolgte, lag die Varroabelastung der Versuchsvölker zur Zeit der Winterbienenaufzucht nur geringfügig über der der intensiv behandelten Kontrollvölker – der Befallsunterschied war statistisch nicht signifikant.

Die komplette Brutentnahme Arbeitsablauf, Schritt für Schritt

  1. Honigzargen und obere Brutzarge absetzen und Waben im Brutnestbereich begutachten. Insgesamt 2 – 4 helle, gut ausgebaute Honig- und Pollenwaben an die beiden Seiten der unteren Zarge platzieren.
  2. Eine einzelne Brutwabe mit Eiern und Larven, möglichst ohne ältere verdeckelte Zellen.
  3. als Fangwabe in die Mitte der unteren Zarge geben. Sofern vorhanden, eignet sich hierzu Drohnenbrut besonders gut.
  4. Jetzt die Bienen aller übrigen Brutraumwaben weitgehend in die untere Zarge abstoßen. Auch die Königin muss in jedem Fall dort landen! Wer sie nicht sieht und befürchtet, sie mit den wenigen noch ansitzenden Bienen zu entnehmen, muss die Waben ggf. vollständig abfegen.
  5. Zuletzt die Lücken durch helle Leerwaben oder Mittelwände ergänzen. Sofern etwas Tracht herrscht, werden die Mittelwände zügig ausgebaut. Andernfalls mit eigenem Honig füttern.
  6. Die untere Zarge mit der Königin durch ein Absperrgitter abdecken. Darüber kommen unverändert der bzw. die Honigräume in der bisherigen Anordnung. Erst nach der Ernte des letzten Honigraums wird der Brutraum bei Bedarf um eine zweite Zarge erweitert.
  7. Die entnommenen Brutwaben mit einem geringen Besatz an Bienen in den Brutsammler geben. Dabei können sorglos Waben verschiedener Völker vereinigt werden. An jede Seite kommt eine Futterwabe mit Honig und Pollen zur Versorgung der Jungbienen. Ca. 300 Bienen je Wabenseite reichen, um die Versorgung und einen vollständigen Schlupf aller Brutzellen zu gewährleisten. Wer die Brutwaben vollständig abgefegt hat, stößt eine entsprechende Menge Bienen aus dem Honigraum hinzu.
  8. Nach 7 – 10 Tagen die brutbefreiten Völker kontrollieren. Bis dahin sind die Mittelwände meist vollständig ausgebaut, und die Königin hat ein neues Brutnest angelegt.
  9. Die inzwischen weitgehend verdeckelte Fangwabe samt den darin gefangenen Milben entnehmen und einschmelzen. Eine an ihrer Stelle gegebene Mittelwand oder Leerwabe schließt die Bauerneuerung im Brutraum ab. Eine Varroabehandlung ist nicht notwendig!
  10. Die Brutsammler gleich am Tag der Brutentnahme auf einen separaten Stand verbringen. Man braucht sie erst nach 21 bis 24 Tagen zu kontrollieren. Bis dahin ist alle Brut geschlüpft, und alte Waben können problemlos ausgetauscht werden. Je nach Volksstärke werden ein oder zwei Zargen belassen. Falls Unsicherheit über die Anwesenheit einer Nachschaffungskönigin besteht, sorgt eine Weiselprobe schnell für Klarheit. Unbefriedigende Nachschaffungsköniginnen können später leicht ausgetauscht werden.
  11. Dank der vorübergehenden Brutfreiheit kann nun eine wirkungsvolle und einfache Varroabekämpfung der ehemaligen Brutsammler vorgenommen werden. Hierzu eignen sich das Aufträufeln von Oxalsäure, das Einsprühen mit Milchsäure oder der Einsatz von Fangwaben.
Auch bei anderen untersuchten Krankheiten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede. Nosema wurde insgesamt nur selten nachgewiesen – allerdings in den Kontrollvölkern etwa doppelt so häufig. Besonders auffällig ist die tendenziell niedrigere Belastung der Versuchsvölker durch das Akute Bienenparalyse Virus als einer charakteristischen Sekundärinfektion von Varroa. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass trotz vergleichbar hoher Milbenzahlen in den Völkern eine Absenkung der Virusbelastung durch die Brutentnahme erreicht werden kann.

Der richtige Zeitpunkt

Die Brutentnahme kann von Beginn der natürlichen Schwarmzeit bis etwa Mitte Juli wirksam durchgeführt werden. Bei einer späteren Anwendung sinkt der Anteil der entnommenen Milben, und die Regeneration der Völker bis zur Einwinterung könnte gefährdet sein. Der optimale Zeitpunkt richtet sich vor allem nach dem Trachtverlauf. Dies zeigen die Erntemengen der zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten behandelten Instituts- Versuchsvölker (Abbildung 2). Eine Brutentnahme am 20. Mai (Beginn der Schwarmzeit) führte zu deutlich geringeren Gesamterträgen von durchschnittlich 7,1 kg gegenüber durchschnittlich 21,5 kg der Kontrollvölker. Eine Brutentnahme am 11. Juni resultierte in einer Honigernte von durchschnittlich 16,4 kg. Den höchsten Ertrag erbrachten mit durchschnittlich 27,3 kg die Anfang Juli, also genau 14 Tage vor der abschließenden Honigernte, behandelten Völker. Aufgrund der kompletten Brutentnahme sinkt ihr Eigenbedarf deutlich ab, während ihre Sammelleistung zunächst nahezu vollständig erhalten bleibt. Die fehlenden Jungbienen machen sich erst nach der Honigernte bemerkbar. Für Früh- und Sommertrachtgebiete kann generell empfohlen werden, die komplette Brutentnahme ca. 14 Tage vor der letzten Honigernte durchzuführen! Dann besteht noch keine Räubereigefahr, und es bleibt genügend Zeit zur Regeneration der Völker bzw. für den Aufbau der Brutsammler zu einwinterungsfähigen Einheiten. Sobald der letzte Honig geerntet ist, wird der im Zuge der Brutentnahme auf eine Zarge beschränkte Brutraum nach Bedarf erweitert und das Winterfutter aufgesetzt. Damit ist eine optimale Winterbienenaufzucht gewährleistet! Für Spättrachtgebiete erscheint die Methode hingegen weniger geeignet. Je nach Trachtverlauf böte sich hier eine frühe Brutentnahme, entsprechend etwa der Schwarmproduktion in der früheren Korbimkerei, an. Dies setzt allerdings voraus, dass den Völkern im Anschluss etwa 6 – 8 Wochen Zeit bis zur erwarteten Tracht verbleiben. Befallsschadschwellen beachten! Zu beachten ist, dass auch bei der Brutentnahme stets ein gewisser Varroa-Restbefall in den Völkern verbleibt und es aus kranken und schlecht geführten Völkern der Umgebung zur Reinfektion kommen kann. Man sollte daher während der Winterbienenaufzucht im Zeitraum August/September anhand von Bienenproben den tatsächlichen Bienenbefall bestimmen. (siehe Broschüre "Varroa unter Kontrolle" bzw. Büchler et al: "Varroabefall richtig einschätzen" ADIZ/ db/IF 07/2006, S. 12 – 13). Bei mehr als 5 Milben/10 g Bienen bedarf es umgehend einer zusätzlichen Behandlung. Besonders hoch befallene Völker sollte man im Sinne einer verantwortungsbewussten Selektion abtöten oder aber im Falle einer chemischen Sanierung umweiseln.

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